Beschlussvorlage:
I. Ausgangspunkt
Der kommunale Finanzausgleich hat im Wesentlichen zwei Funktionen:
Zunächst stockt er die Finanzmittel der Kommunen auf (vertikaler Finanzausgleich oder fiskalische Funktion). Die
Finanzausstattung der Kommunen muss es diesen ermöglichen, zu einem bestimmten
Minimum auch freiwillige Ausgaben wahrnehmen zu können, sodass eine sinnvolle
Betätigung der Selbstverwaltung möglich ist. Zum anderen bezweckt der
Finanzausgleich, Finanzkraftunterschiede zwischen den Kommunen abzubauen (horizontaler Finanzausgleich oder
distributive Funktion).
II. Entscheidung des
Verfassungsgerichtshofes Rheinland-Pfalz vom 16.12.2020
Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz hat am 16.12.2020
entschieden, dass die damaligen Regelungen zum Kommunalen Finanzausgleich in
den §§ 5 bis 18 Landesfinanzausgleichsgesetz (LFAG) a. F. verfassungswidrig
waren. Wörtlich führte er aus: „Aufgrund
des vollständigen Fehlens eines Bedarfsermittlungsverfahrens war den Gemeinden
und Gemeindeverbänden durch den kommunalen Finanzausgleich der Jahre 2014 und
2015 eine aufgabenadäquate Finanzausstattung nicht gewährleistet.“
III. Neufassung
des Landesfinanzausgleichsgesetzes zum 01.01.2023
Mit dem Landesgesetz zur Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen dem
Land und den kommunalen Gebietskörperschaften, Landesfinanzausgleichsgesetz -
LFAG -, vom 7. Dezember 2022 hat das Land daher den kommunalen Finanzausgleich
neu geregelt.
Die Höhe des Finanzausgleichs setzt sich seither aus vier
Komponenten zusammen (vgl. § 5 LFAG): Mindestfinanzausstattung,
Finanzausgleichsumlage, Symmetrieansatz sowie Abrechnungen. Die
Mindestfinanzausstattung hat in 2024 als wichtigste Komponente an der KFA-Summe
einen Anteil von 84 %.
Zur Ermittlung der Mindestfinanzausstattung hat das Land erstmals die
finanziellen Mindestbedarfe der Kommunen bestimmt. In einem ersten Schritt
wurde jeweils getrennt für die Gebietskörperschaftsgruppen unterteilt in sieben
Aufgabencluster ein jährlicher Durchschnittswert ihrer Ausgaben zur Erledigung
ihrer Pflichtaufgaben ermittelt (laufende Rechnung). Dabei wurde auf die
entsprechenden Daten der Jahre 2017 bis 2019 zurückgegriffen und bezogen auf
diesen Zeitraum ein jährlicher Durchschnittswert ermittelt. Auf die so ermittelten
Beträge wurde das sog. Korridorverfahren angelegt, mit dessen Hilfe die Durchschnittskosten
2017 bis 2019 einer Angemessenheitsprüfung unterzogen werden sollten. Sodann
wurden Zuschläge für kommunale Investitionen und die Wahrnehmung freiwilliger
Aufgaben gewährt. Das so gefundene Ergebnis wurde schließlich mittels
bestimmter Indizes auf 2023 bzw. 2024 fortgeschrieben, davon allerdings ebenso
fortgeschriebene Deckungsmittel der Kommunen in Abzug gebracht.
IV. Kritik an
Korridorverfahren und Fortschreibung auf 2024
In Kritik stehen insbesondere das Korridorverfahren sowie die
Fortschreibung des gefundenen Ergebnisses auf Grundlage der Jahre 2017 bis 2019
auf 2024.
1. Korridorverfahren
So ist das zur Anwendung gekommene Korridorverfahren, also die Prüfung
der Angemessenheit kommunaler Ausgaben, in der hier gewählten Form abzulehnen.
Für den bedarfsgerechten Finanzausgleich wurden wie erwähnt auf Grundlage der
Basisjahre 2017 bis 2019 pro Gebietskörperschaftsgruppe das Gesamtdefizit pro
Aufgabencluster (Ist-Kosten der laufenden Rechnung) und daraus ein jährlicher
Durchschnittswert in € pro Einwohner ermittelt. Als Mindestbedarf anerkannt
wurden jetzt nur Ausgaben der Kommunen bis zu diesem Durchschnittswert.
Ausgaben einzelner Kommunen über diesem Durchschnittswert führten grundsätzlich
zu einem Abzug für die vollständige Gebietskörperschaftsgruppe. Dabei wurde
nicht berücksichtigt, dass es objektive Unterschiede zwischen Kommunen gibt,
die diese nicht zu vertreten haben und nahezu zwangsläufig dazu führen, dass
ihre Ausgaben im Vergleich überdurchschnittlich sind, so z. B. aufgrund ihrer
Bevölkerungsstruktur, Topografie oder Fläche.
Durch das Korridorverfahren wurden allein in den Jahren 2017 bis 2019
rd. 267 Mio. € kommunaler Ausgaben im Pflichtaufgabenbereich nicht als
kommunaler Mindestbedarf anerkannt.
2. Fortschreibung auf 2024
Darüber hinaus ist die Fortschreibung der auf Basis der Jahre 2017 bis
2019 ermittelten Werte auf 2024 nicht ausreichend. Ursache ist die mangelnde
Berücksichtigung von Sondereffekten wie bspw. starke Tarifsteigerungen, die im
Übrigen nicht nur das eigene Personal betreffen. So erkennt das Land im Cluster
KiTa und Jugend bei den Kreisen einen Mehrbedarf von 305 Mio. € für das Jahr
2024 im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2019 an, der vom
Landkreistag ermittelte Mehrbedarf beträgt jedoch 492 Mio. €. Gleiches im
Cluster Mobilität: Hier erkennt das Land einen Mehrbedarf von 19 Mio. € an, der
vom Landkreistag ermittelte Wert liegt jedoch bei 206 Mio. €. Dies führt dazu,
dass alleine bei den Landkreisen in nur zwei der sieben
Aufgabencluster kommunale Mehrbedarfe von mindestens 373 Mio. € nicht bei
der Mindestfinanzausstattung berücksichtigt werden.
Dass dieses Geld fehlt zeigen die (vorläufigen) Haushaltspläne aller
Landkreise für das Jahr 2024. Diese rechnen im Augenblick saldiert mit einem
negativen Ergebnis von 252 Mio. €, wobei 18 Landkreise ein negatives Ergebnis
planen, während ein Landkreis von einem ausgeglichenen Ergebnis und fünf
Landkreise von einem positiven Ergebnis ausgehen.
Würde das Land die höhere Ausgangssumme sowie die entsprechenden
Mehrbedarfe anerkennen und den kommunalen Finanzausgleich entsprechend
ausstatten, könnte hier davon ausgegangen werden, dass allen Landkreisen ein
Haushaltsausgleich ermöglicht würde.
V. Auswirkungen auf
strukturschwache Regionen
Insbesondere die strukturschwachen Regionen zeigen schon seit vielen
Jahren, dass zu wenig Geld im System ist. Der vom Land geforderte
Haushaltsausgleich „um jeden Preis“ führt hier dazu, dass strukturschwache
Kommunen gezwungen werden, ihre Realsteuerhebesätze überproportional anzuheben,
um einen Haushaltsausgleich zu erzielen oder um nachzuweisen, dass dieser
selbst unter größtmöglicher Kraftanstrengung nicht möglich ist. Jedoch steht
hier dann der Hebesatz der Realsteuern, insbesondere der Grundsteuer B, nicht
mehr im Verhältnis zu der vor Ort gebotenen öffentlichen Infrastruktur. Dies
führt zu Frustration in den Kommunen und ebnet einer „Landflucht“ den Weg.
Um dies zu verhindern muss ein Sondertatbestand im LFAG geschaffen
werden, welcher spiegelbildlich zur allgemeinen Finanzzuweisung für die
zentralen Orten eine Sonderzuweisung oder einen Härteausgleich für
strukturschwache Regionen ermöglicht. Dies gebietet schon allein das Ziel
gleichwertiger Lebensverhältnisse im Land.
Aus diesen genannten Gründen fordert der Kreistag des Landkreises Kusel
das Land Rheinland-Pfalz auf
1.
eine Evaluation des Landesfinanzausgleichsgesetzes nach §
40 Abs. 1 S. 1 2. Alt. LFAG vorzeitig durchzuführen, die Berechnung des
Mindestbedarfs zu überarbeiten und die tatsächlich entstandenen Mehrbedarfe
anzuerkennen und
2.
die Einführung einer Finanzzuweisung / eines
Härteausgleichs für strukturschwache Regionen im Landesfinanzausgleichsgesetz
zu verankern.