Resolution des Landkreises Kusel für eine vorzeitige Evaluierung des Landesfinanzausgleichsgesetzes nach § 40 Abs. 1 S. 1 2. Alt. LFAG sowie für die Einführung eines Härteausgleichs für strukturschwache Regionen

Betreff
Resolution des Landkreises Kusel für eine vorzeitige Evaluierung des Landesfinanzausgleichsgesetzes nach § 40 Abs. 1 S. 1 2. Alt. LFAG sowie für die Einführung eines Härteausgleichs für strukturschwache Regionen
Vorlage
1493/2024
Art
Vorlage KT

Beschlussvorlage:

 

 

I. Ausgangspunkt

 

Der kommunale Finanzausgleich hat im Wesentlichen zwei Funktionen: Zunächst stockt er die Finanzmittel der Kommunen auf (vertikaler Finanzausgleich oder fiskalische Funktion). Die Finanzausstattung der Kommunen muss es diesen ermöglichen, zu einem bestimmten Minimum auch freiwillige Ausgaben wahrnehmen zu können, sodass eine sinnvolle Betätigung der Selbstverwaltung möglich ist. Zum anderen bezweckt der Finanzausgleich, Finanzkraftunterschiede zwischen den Kommunen abzubauen (horizontaler Finanzausgleich oder distributive Funktion).

 

II. Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes Rheinland-Pfalz vom 16.12.2020

 

Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz hat am 16.12.2020 entschieden, dass die damaligen Regelungen zum Kommunalen Finanzausgleich in den §§ 5 bis 18 Landesfinanzausgleichsgesetz (LFAG) a. F. verfassungswidrig waren. Wörtlich führte er aus: „Aufgrund des vollständigen Fehlens eines Bedarfsermittlungsverfahrens war den Gemeinden und Gemeindeverbänden durch den kommunalen Finanzausgleich der Jahre 2014 und 2015 eine aufgabenadäquate Finanzausstattung nicht gewährleistet.“

 

III. Neufassung des Landesfinanzausgleichsgesetzes zum 01.01.2023

 

Mit dem Landesgesetz zur Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen dem Land und den kommunalen Gebietskörperschaften, Landesfinanzausgleichsgesetz - LFAG -, vom 7. Dezember 2022 hat das Land daher den kommunalen Finanzausgleich neu geregelt.

Die Höhe des Finanzausgleichs setzt sich seither aus vier Komponenten zusammen (vgl. § 5 LFAG): Mindestfinanzausstattung, Finanzausgleichsumlage, Symmetrieansatz sowie Abrechnungen. Die Mindestfinanzausstattung hat in 2024 als wichtigste Komponente an der KFA-Summe einen Anteil von 84 %.

Zur Ermittlung der Mindestfinanzausstattung hat das Land erstmals die finanziellen Mindestbedarfe der Kommunen bestimmt. In einem ersten Schritt wurde jeweils getrennt für die Gebietskörperschaftsgruppen unterteilt in sieben Aufgabencluster ein jährlicher Durchschnittswert ihrer Ausgaben zur Erledigung ihrer Pflichtaufgaben ermittelt (laufende Rechnung). Dabei wurde auf die entsprechenden Daten der Jahre 2017 bis 2019 zurückgegriffen und bezogen auf diesen Zeitraum ein jährlicher Durchschnittswert ermittelt. Auf die so ermittelten Beträge wurde das sog. Korridorverfahren angelegt, mit dessen Hilfe die Durchschnittskosten 2017 bis 2019 einer Angemessenheitsprüfung unterzogen werden sollten. Sodann wurden Zuschläge für kommunale Investitionen und die Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben gewährt. Das so gefundene Ergebnis wurde schließlich mittels bestimmter Indizes auf 2023 bzw. 2024 fortgeschrieben, davon allerdings ebenso fortgeschriebene Deckungsmittel der Kommunen in Abzug gebracht.

 

IV. Kritik an Korridorverfahren und Fortschreibung auf 2024

 

In Kritik stehen insbesondere das Korridorverfahren sowie die Fortschreibung des gefundenen Ergebnisses auf Grundlage der Jahre 2017 bis 2019 auf 2024.

 

1. Korridorverfahren

So ist das zur Anwendung gekommene Korridorverfahren, also die Prüfung der Angemessenheit kommunaler Ausgaben, in der hier gewählten Form abzulehnen. Für den bedarfsgerechten Finanzausgleich wurden wie erwähnt auf Grundlage der Basisjahre 2017 bis 2019 pro Gebietskörperschaftsgruppe das Gesamtdefizit pro Aufgabencluster (Ist-Kosten der laufenden Rechnung) und daraus ein jährlicher Durchschnittswert in € pro Einwohner ermittelt. Als Mindestbedarf anerkannt wurden jetzt nur Ausgaben der Kommunen bis zu diesem Durchschnittswert. Ausgaben einzelner Kommunen über diesem Durchschnittswert führten grundsätzlich zu einem Abzug für die vollständige Gebietskörperschaftsgruppe. Dabei wurde nicht berücksichtigt, dass es objektive Unterschiede zwischen Kommunen gibt, die diese nicht zu vertreten haben und nahezu zwangsläufig dazu führen, dass ihre Ausgaben im Vergleich überdurchschnittlich sind, so z. B. aufgrund ihrer Bevölkerungsstruktur, Topografie oder Fläche.

 

Durch das Korridorverfahren wurden allein in den Jahren 2017 bis 2019 rd. 267 Mio. € kommunaler Ausgaben im Pflichtaufgabenbereich nicht als kommunaler Mindestbedarf anerkannt.

 

2. Fortschreibung auf 2024

 

Darüber hinaus ist die Fortschreibung der auf Basis der Jahre 2017 bis 2019 ermittelten Werte auf 2024 nicht ausreichend. Ursache ist die mangelnde Berücksichtigung von Sondereffekten wie bspw. starke Tarifsteigerungen, die im Übrigen nicht nur das eigene Personal betreffen. So erkennt das Land im Cluster KiTa und Jugend bei den Kreisen einen Mehrbedarf von 305 Mio. € für das Jahr 2024 im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2019 an, der vom Landkreistag ermittelte Mehrbedarf beträgt jedoch 492 Mio. €. Gleiches im Cluster Mobilität: Hier erkennt das Land einen Mehrbedarf von 19 Mio. € an, der vom Landkreistag ermittelte Wert liegt jedoch bei 206 Mio. €. Dies führt dazu, dass alleine bei den Landkreisen in nur zwei der sieben Aufgabencluster kommunale Mehrbedarfe von mindestens 373 Mio. € nicht bei der Mindestfinanzausstattung berücksichtigt werden.

 

Dass dieses Geld fehlt zeigen die (vorläufigen) Haushaltspläne aller Landkreise für das Jahr 2024. Diese rechnen im Augenblick saldiert mit einem negativen Ergebnis von 252 Mio. €, wobei 18 Landkreise ein negatives Ergebnis planen, während ein Landkreis von einem ausgeglichenen Ergebnis und fünf Landkreise von einem positiven Ergebnis ausgehen.

Würde das Land die höhere Ausgangssumme sowie die entsprechenden Mehrbedarfe anerkennen und den kommunalen Finanzausgleich entsprechend ausstatten, könnte hier davon ausgegangen werden, dass allen Landkreisen ein Haushaltsausgleich ermöglicht würde.

 

V. Auswirkungen auf strukturschwache Regionen

 

Insbesondere die strukturschwachen Regionen zeigen schon seit vielen Jahren, dass zu wenig Geld im System ist. Der vom Land geforderte Haushaltsausgleich „um jeden Preis“ führt hier dazu, dass strukturschwache Kommunen gezwungen werden, ihre Realsteuerhebesätze überproportional anzuheben, um einen Haushaltsausgleich zu erzielen oder um nachzuweisen, dass dieser selbst unter größtmöglicher Kraftanstrengung nicht möglich ist. Jedoch steht hier dann der Hebesatz der Realsteuern, insbesondere der Grundsteuer B, nicht mehr im Verhältnis zu der vor Ort gebotenen öffentlichen Infrastruktur. Dies führt zu Frustration in den Kommunen und ebnet einer „Landflucht“ den Weg.

Um dies zu verhindern muss ein Sondertatbestand im LFAG geschaffen werden, welcher spiegelbildlich zur allgemeinen Finanzzuweisung für die zentralen Orten eine Sonderzuweisung oder einen Härteausgleich für strukturschwache Regionen ermöglicht. Dies gebietet schon allein das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse im Land.

 

Aus diesen genannten Gründen fordert der Kreistag des Landkreises Kusel das Land Rheinland-Pfalz auf

1.    eine Evaluation des Landesfinanzausgleichsgesetzes nach § 40 Abs. 1 S. 1 2. Alt. LFAG vorzeitig durchzuführen, die Berechnung des Mindestbedarfs zu überarbeiten und die tatsächlich entstandenen Mehrbedarfe anzuerkennen und

2.    die Einführung einer Finanzzuweisung / eines Härteausgleichs für strukturschwache Regionen im Landesfinanzausgleichsgesetz zu verankern.