Einführung eines internen Organisations- und Kontrollsystems zur Erfüllung der (neuen) steuerlichen Pflichten - TCMS - Tax Compliance Management System -

Betreff
Einführung eines internen Organisations- und Kontrollsystems zur Erfüllung der (neuen) steuerlichen Pflichten - TCMS - Tax Compliance Management System -
Vorlage
1005/2020/1
Art
Vorlage KT
Referenzvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Mit der Einführung eines TCMS folgt der Landkreis einer entsprechenden Empfehlung des rhein-land-pfälzischen Landkreistages.

 

Entsprechend der Empfehlung des Kreisausschuss beschließt der Kreistag ausdrücklich das Ziel, die neuen Regelungen zur Umsatzsteuer, genauso wie alle anderen Steuersachen, verwaltungsseitig ordnungsgemäß und vorbildlich zu bearbeiten, zu unterstützen. Damit soll insbesondere erreicht werden, dass

 

  1. außerplanmäßige Haushaltsbelastungen durch Steuernachzahlungen oder Strafzahlungen für fahrlässig hinterzogene Steuern wie auch
  2. Reputations- und Imageschäden gegenüber unseren Bürgern, der Öffentlichkeit allgemein und der Finanzverwaltung vermieden werden,
  3. Chancen durch Nutzung der zulässigen steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Vorsteuer bzw. allgemein: auf Steuererstattungsansprüche genutzt werden (Aktive Steuergestaltung) und
  4. Strafverfahren (z. B. gegen Landrätin / Landrat, Funktionsträger, Budgetverantwortliche, Bedienstete) vermieden werden.

 

Dazu soll das Ziel einer ordnungsgemäßen und vorbildlichen Bearbeitung in Steuersachen klar artikuliert und z. B. in einem entsprechenden Leitbild, das von allen Mitarbeitern mitgetragen wird, dokumentiert werden. Die Risikofelder sollen klar analysiert und darauf aufbauend - soweit notwendig - geeignete organisatorische Maßnahmen zur Minimierung der Risiken ergriffen werden. Die Einführung kann zu personellem oder finanziellem Mehraufwand führen. Eventuell benötigte Ressourcen werden im Stellenplan sowie im Haushalt bereitgestellt.

 

Beschlussvorlage:

 

Ende 2016 wurde mit Einführung des neuen § 2b UStG die Rechtsgrundlagen für die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand grundlegend neu geregelt und mit einer optionalen Übergangsfrist bis Ende 2020 versehen. Hintergrund waren die Anforderungen aus dem einheitlichen europäischen Mehrwertsteuersystem. Der Landkreis Kusel hat mit der sog. Optionserklärung die Übergangsfrist in Anspruch genommen, so dass bis Ende 2020 noch nach altem Recht verfahren wird.

 

Ab dem Veranlagungsjahr 2021 ist zwingend nach neuem Recht § 2b UStG zu verfahren.

 

Mit der Änderung findet ein grundlegender Paradigmenwechsel der für die Geltung des Umsatzsteuerrechts maßgeblichen Einstufung als Unternehmer statt.

 

Bisher war eine juristische Person des öffentlichen Rechts (jPöR) nur dann Unternehmer, soweit ein BgA (Betrieb gewerblicher Art) im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes vorlag (Gewinnerzielung, Umsatz über 35.000 Euro pro Jahr). Für alle übrigen Tätigkeiten war die jPöR kein Unternehmer, daher auch keine Relevanz der Umsatzsteuer.

 

Nach neuem Recht verhält es sich umgekehrt: Eine jPöR gilt grundsätzlich als Unternehmer, nur in bestimmten Ausnahmefällen nicht mehr. Diese Ausnahmefälle sind insbesondere die Ausübung öffentlicher Gewalt (insbesondere hoheitliche Aufgaben), Tätigkeiten unter einer Bagatellgrenze sowie der Leistungsaustausch mit anderen jPöR (z. B. interkommunale Kooperation, aber auch mit dem Land oder mit Kirchen), jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen. Diese Änderungen führen u.a. dazu, dass

 

  • insbesondere Tätigkeiten im Bereich der sog. Vermögensverwaltung (bisher keine Umsatzsteuer) neu zu prüfen sind;
  • sämtliche Leistungsaustausche auf Basis privatrechtlicher Verträge grundsätzlich immer der Umsatzsteuer unterliegen;
  • letztlich alle Leistungsaustausche mit anderen jPöR steuerlich nach den neuen Regelungen neu zu überprüfen und zu bewerten sind.

 

Unverändert bleiben insbesondere:

 

  • Steuerbefreiungstatbestände nach § 4 UStG (Insbesondere langfristige Vermietung / Verpachtung, Leistungen im Bildungsbereich und der Jugendhilfe u. a. m.);
  • Die Umsatzbesteuerung kraft Rechtsform (insbesondere kommunale GmbH);
  • Die Umsatzbesteuerung der sog Katalogtätigkeiten (Energie, Wasser, ÖPNV u. a. m.).

 

Die Verwaltung hat bereits seit einigen Jahren notwendige Vorbereitungen getroffen, um ab 2021 eine ordnungsgemäße Umsetzung der neuen umsatzsteuerlichen Pflichten sicherstellen zu können. Hierzu gehören insbesondere die Teilnahme an Arbeitsgruppen des Landkreistages, die individuelle Prüfung der Einnahmen des Landkreises  sowie eine intensive Schulung der zuständigen Mitarbeiter im Referat Finanzen.

 

Die Verwaltung strebt an, künftig auch die ordnungsgemäße Umsetzung der neuen umsatzsteuerrechtlichen Pflichten soweit wie möglich sicherzustellen. Dazu will und wird sie die notwendigen organisatorischen und personellen Voraussetzungen schaffen. Ziel ist es, Erklärungsfristen fristgerecht einzuhalten und ggf. auftretende Fehler aufzuspüren, zu korrigieren und künftig zu vermeiden. Dazu fühlen wir uns als öffentliche Hand und nicht zuletzt in unserer Vorbildfunktion für unsere Bürger auch verpflichtet. Nicht zuletzt liegt die ordnungsgemäße Umsetzung in unserem originären eigenen Interesse:

 

  1. Nicht ordnungsgemäße Umsetzungen der steuerlichen Erklärungspflichten kommen spätestens im Rahmen einer Außenprüfung (Betriebsprüfung) zu Tage. Wurden Steuern nicht oder nicht richtig erklärt, führt dies immer zu Steuernachzahlungen; geschah dies fahrlässig, ist - aller Erfahrung nach - schlimmstenfalls mit Strafzahlungen oder strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen. Nach- und Strafzahlungen können zudem u. U. zu erheblichen außerplanmäßigen Haushaltsbelastungen führen.
  2. Als Landkreis steht unser Verwaltungshandeln in besonderer Weise im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Negative Schlagzeilen wegen Steuerstrafsachen würden unsere Reputation und unserem Image schaden. Solche Risiken wollen wir daher minimieren
  3. Das neue Recht enthält auch eine Reihe von neuen Chancen einer steuerlich für uns vorteilhaften Ausgestaltung unserer kommunalen Leistungen und Tätigkeiten.

 

Zu denken ist hier insbesondere an die Potenziale des Vorsteuerabzugs bei Investitionen sowie an die Ausgestaltung interkommunaler Kooperationen. Diese Chancen sollten wir im Hinblick auf die schwierige Lage der Haushalte nutzen.

 

Hierfür gilt es, bis Ende 2020 insbesondere folgende Maßnahmen zu ergreifen:

 

  • Sensibilisierung aller Mitarbeiter der Verwaltung - also nicht nur die Steuer- und Finanzverwaltung.
  • Etablierung eines lückenlosen Vertragsmanagements.
  • Umsetzung der notwendigen Anpassungen der Aufbauorganisation (Stellen, Personen, Funktionen, Aufgaben) wie auch der Ablauforganisation (Dienstanweisungen, Zeichnungsberechtigungen u. a. m.).

 

Zur Umsetzung ist beabsichtigt, ein sog. Tax-Compliance-Managementsystem (TCMS) einzuführen. Es handelt sich dabei um ein innerbetriebliches Kontrollsystem, das die bereits vorhandenen Prozesse ergänzt, systematisiert und dokumentiert. Dies besteht aus verschiedenen organisatorischen Elementen - angefangen von der Schaffung eines Leitbilds und einer "Kultur der Steuerehrlichkeit" bis hin zu beispielsweise einer Risiko-Kontroll-Matrix zur Bewertung steuerlicher Risiken.

 

Es bietet sich an, ein solches Instrument nicht nur für die Umsatzsteuer, sondern gleichermaßen für alle übrigen Steuerarten einzusetzen, wie insbesondere Körperschaftsteuer, Lohn/ Einkommensteuer (einschl. geldwerte Vorteile, Dienstwagennutzung u. s. w.), Kapitalertragsteuer und Energie/Stromsteuer.

 

Das TCMS dient nicht zuletzt auch der rechtlichen Absicherung: Nach § 153 AO schützt ein solches innerbetriebliches Kontrollsystem zumindest als Indiz vor dem Vorwurf der Leichtfertigkeit oder des Vorsatzes der Steuerverkürzung bzw. -hinterziehung.